(Altmark Zeitung Pfingsten 2006)
Babett Gerke wird erste Familienhebamme im Altmarkkreis
von Beatrix Koberstein
Steinitz. Bremen - ein Bundesland, das vor mehr als 20 Jahren mit einer hohen Säuglingssterblichkeit negative Schlagzeilen machte. Bei der Suche nach
Auswegen wurde die Familienhebamme geboren. Das Projekt machte Schule. Seit März diesen Jahres werden nun auch in Sachsen-Anhalt
Familienhebammen ausgebildet. Die erste - und bislang einzige - im Altmarkkreis Salzwedel ist die Steinitzerin Babett Gerke.
"Unterstützung muss so früh wir möglich ansetzen, um die Chancen gerade auch für Kinder aus Problemfamilien in unserer Gesellschaft wirksam zu
verbessern." Mit diesen Worten der Sozialministerin Gerlinde Kuppe begann kürzlich in Magdeburg die zweite Fortbildung zur
Familienhebamme. Seit März sitzen zehn Hebammen aus ganz Sachsen-Anhalt regelmäßig in Magdeburg und Halle auf der Schulbank, um sich zur
Familienhebamme fortbilden zu lassen. Eine von ihnen ist die Hebamme Babett Gerke aus Steinitz.
Zum Hintergrund: Gerade im vergangenen
Jahr gab es bundesweit immer wieder Fälle der Verwarlosung von Kindern, Kindesmisshandlungen bis hin zu spektakulären Todesfällen im
Kleinkindalter. Aktuelle Fälle, auch in Sachsen-Anhalt (Neuendorf) verschärften die Diskussion. Im Rahmen des Landesbündnisses für
Familien wurde deshalb das Projekt "Familienhebammen Sachsen-Anhalt" ins Leben gerufen. Es ist ein Präventionsprogramm, das sich an werdende
Eltern und Eltern mit Kleinkindern wendet. Im Fokus stehen Familien, deren Erziehungskompetenzen gestärkt werden müssen: minderjährige
Mütter, Eltern mit Sucht- oder psychischen Problemen, Migrantinnen, Eltern mit eingeschränkten Fähigkeiten in der Alltagsbewältigung sowie
Familien in Armut. Es soll kein Einmischen darstellen, sondern ein Hilfsangebot sein. Und wer könnte besser ein Vertrauensverhältnis aufbauen als eine Hebamme?
Das weiß auch Babett Gerke. Sie sieht den Vorteil der Arbeit besonders darin, dass die Familien beziehungsweise Mütter nicht mehr nur bis acht
Wochen nach der Entbindung betreut werden. Normalerweise endet dann die eigentliche Tätigkeit einer Hebamme. Als Familienhebamme ist sie bis
zum ersten Geburtstag des Kindes für die Familie da. Ihre Arbeit sieht Babett Gerke vor allem darin, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die
Beratung der Eltern in gesundheitlicher und psychosozialer Hinsicht, Tipps bei der Schwangerenvorsorge und bei Untersuchungen der Kinder, um
frühzeitig Krankheiten zu erkennen, die Beziehung der Frau und des Paares mit dem Kind zu stärken und die Entwicklungsdefizite des Kindes
aufzuzeigen - das alles gehört zum Aufgabenbereich einer Familienhebamme. Dazu kommt die Beratungstätigkeit: der gemeinsame Gang
zu ärzten und Behörden. "Ich mache ja nicht komplett etwas anderes als vorher. Solche Fälle habe ich schon betreut", erinnert sich die
Altmärkerin. Doch nach acht Wochen war stets Schluss. Wie ernst das neue Betreuungsangebot genommen wird, ist bereits sichtbar. Das
Jugendamt des Altmarkkreises hat die Familienhebamme schon mit offenen Armen empfangen.